KRONOS Jahresrückblick 2022
Das Jahr 2022 war für den Einzelhandel wieder mit zahlreichen unerwarteten Entwicklungen und Hürden gepflastert. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie waren noch spürbar, bevor der Russland-Ukraine-Krieg die Geschäftslage im Einzelhandel erneut stark belastete. Explodierende Energiekosten, steigende Inflation, Lieferengpässe und Kaufzurückhaltung waren daher die größten Herausforderungen für den Einzelhandel im Jahr 2022.
Kaufzurückhaltung der Konsumenten durch hohe Energiekosten und Inflation
Der Russland-Ukraine-Krieg brachte nicht nur viel Leid über die Ukraine, sondern führte gleichzeitig zu einem Preisschock an den internationalen Energiemärkten. Nach der Corona-Pandemie setzte der Einzelhandel hohe Erwartungen in den nachholenden Konsum. Diese Erwartungen erhielten durch den russischen Angriffskrieg allerdings einen Dämpfer. Der GfK-Konsumklimaindex sank im Jahresverlauf stetig und erreichte im Oktober 2022 einen absoluten Negativrekord. Die durch die Energiekosten angeheizte Inflation schnellte im Laufe des Jahres über 10 Prozent, was zu realen Kaufkraftverlusten der Konsumenten führte. Aufgrund der unsicheren Lage verschlechterte sich die Kauflaune der Konsumenten daher zunehmend. Daran änderten auch die Entlastungspakete in Milliardenhöhe durch den Bund recht wenig.
Das Shoppen in den Innenstädten und Einkaufszentren war daher noch nicht wieder so selbstverständlich wie in den Jahren vor der Corona-Pandemie. Die Konsumenten achteten verstärkt auf die Preise und überlegten genau, was sie wirklich benötigten. Die Furcht vor noch höheren Energiekosten und die ökonomische Unsicherheit veranlassten viele Konsumenten, ihr verfügbares Haushaltseinkommen beisammen zuhalten.
Stagnierende Umsätze im stationären Einzelhandel
Die skizzierte Kaufzurückhaltung machte dem Einzelhandel deutlich zu schaffen. Viele Einzelhändler waren aufgrund der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen wirtschaftlich relativ gut durch die Corona-Pandemie gekommen. Nach dem Fall der Zutrittsbeschränkungen im Einzelhandel entwickelte sich der Umsatz häufig wieder auf einem ähnlichen Niveau wie vor der Corona-Pandemie. Der Ausbruch des Russland-Ukraine-Krieges im Frühjahr 2022 veränderte die Geschäftslage allerdings erheblich.
So sank die Kundenfrequenz im Laufe des Jahres und erreichte an vielen Standorten häufig noch nicht das Niveau von 2019, sodass in Teilbereichen des Einzelhandels starke Umsatzeinbußen zu verzeichnen waren. Insgesamt lagen die Umsätze im stationären Einzelhandel 2022 preisbereinigt nur knapp über dem Niveau von 2019. Die außerordentlich schwierige Situation für den Einzelhandel wird ebenfalls durch das schleppende Onlinegeschäft deutlich. Im Vergleich zu 2019 stiegen die Onlineumsätze 2022 zwar um etwa 30 Prozent. Aber im Vergleich zum Jahr 2021 stagnierten selbst die Onlineumsätze.
Der Verbraucherpreisindex für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke stieg im Jahresvergleich auf fast 20 Prozent, wodurch sich das Einkaufsverhalten änderte. So griffen die Konsumenten bei Lebensmitteln vermehrt zu preisgünstigen Produkten. Außerdem stellten die Konsumenten größere Anschaffungen zurück. Der "Non-Food-Handel" hatte daher besonders unter der aktuellen Krise zu leiden. Der Umsatz mit Bekleidung, Büchern, Spielwaren und Unterhaltungselektronik ging teilweise besorgniserregend stark im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 zurück.
Betriebsschließungen und Insolvenzen im Jahr 2022
Insbesondere kleine und mittlere Einzelhändler mussten während der Corona-Pandemie ihre finanziellen Reserven aufzehren, sodass der Schock der hohen Energiepreise für existenzielle Sorgen verantwortlich war. Die großzügigen staatlichen Hilfen liefen zudem aus. Der Bundeswirtschaftsminister äußerte sich in den vergangenen Monaten dahingehend, dass erneute Staatshilfen nicht alle Kostensteigerungen neutralisieren könne und dass Firmen im internationalen Wettbewerb bevorzugt unterstützt werden sollen.
Die dauerhaften Kostensteigerungen machten einige Geschäftsmodelle somit absehbar unrentabel, weil sie nicht umfassend an die Konsumenten weitergegeben werden konnten. Daher entschlossen sich mehr Einzelhändler als in den Vorjahren, ihre Standorte zu schließen. Schon vor der Corona-Pandemie standen viele Einzelhändler unter wirtschaftlichen Druck. Aber die aktuelle Krise beschleunigte die Marktbereinigung, die sich andernfalls über einen längeren Zeitraum hingezogen hätte. Der freiwillige Marktrückzug betraf vor allem kleine und mittlere Einzelhändler. Im Jahr 2022 gab es zwar ein paar bekannte Insolvenzverfahren im Einzelhandel, aber es war keine flächendeckende Insolvenzwelle zu verzeichnen.
Lieferengpässe zwischen Europa und Asien
Die schon durch die Corona-Pandemie bestehenden Lieferengpässe wurden durch den Russland-Ukraine-Krieg weiter verschärft. So sind die Lieferketten zwischen Europa und Russland bezüglich wichtiger Rohstoffe und Vorprodukte fast vollständig zum Erliegen gekommen. Dies betraf zwar vorwiegend die industrielle Produktion. Aber diese ist wiederum auch für die Herstellung von Konsumgütern wichtig. Stärker wog, dass auch Handelswege durch den Russland-Ukraine-Krieg gestört waren. Denn Sperrungen von Eisenbahnstrecken und Lufträumen in der Ukraine, in Russland und Weißrussland behinderten die Lieferketten zwischen Europa und Asien.
Die chinesische Corona-Politik führte außerdem in 2022 weiter zu großflächigen Lockdowns in China, die auch Produktionsstätten von Konsumgütern zum Stillstand brachten. Dementsprechend gab es für bestimmte Konsumgüter lange Lieferzeiten und hohe Einkaufspreise. Teilweise konnten Konsumgüter aus China auch gar nicht nach Europa importiert werden. Dies führte neben Umsatzausfällen auch zu einem gestiegenen Planungsaufwand für Einzelhändler. Denn sie mussten Anpassungen im Sortiment vornehmen oder in Zusammenarbeit mit Großhändlern alternative Lieferketten aufbauen.
Der KRONOS-Ausblick auf 2023
Die ökonomischen Prognosen von Bundesregierung, Verbänden und Institutionen für 2023 unterscheiden sich nur in Nuancen: Die hohe Inflation wird sich eher langsam abschwächen und die Konsumzurückhaltung wird erst mal bleiben. Für die deutsche Wirtschaft wird insgesamt sogar ein BIP-Rückgang vorhergesagt. Die Geschäftslage, die Stimmung und die Prognosen könnten aktuell nicht schlechter sein. Das ist aber sogar das Gute daran: Die Talsohle ist erreicht.
So berücksichtigen viele Retailer die eher negativen Prognosen für 2023 schon bei ihren betrieblichen Entscheidungen. Aber auch die Konsumenten sind auf eine schwierige ökonomische Lage im nächsten Jahr vorbereitet. Mit positiven Nachrichten kann sich die Stimmung im nächsten Jahr wieder unerwartet schnell aufhellen. Zu solchen Nachrichten würden beispielsweise die Ergebnisse von Tarifverhandlungen, das Sinken der Energiepreise oder der Abbau der Lieferengpässe durch China gehören.
Finanziell gesunde Einzelhandelsunternehmen wollen nicht nur die aktuelle Krise überstehen, sondern mittelfristig und langfristig erfolgreich sein und sogar wachsen. Daher dürfen sie Zukunftsinvestitionen in die Digitalisierung, in den Klimaschutz oder in die Gebäudeausstattung nicht auf die lange Bank schieben. Zusätzlich müssen der jeweilige Standort und das Sortiment noch stärker an die veränderten Kundenbedürfnisse nach der Corona-Pandemie angepasst werden. Retail Analytics leistet dazu einen entscheidenden Beitrag. Mit Zukunftsinvestitionen sichern sich Retailer die Teilhabe am nächsten Aufschwung.